Carl Loewe und seine e-Moll-Symphonie

Carl Loewe ist jedem Musikinteressierten als genialer Balladenkomponist bekannt. Sie machten ihn schon zu seinen Lebzeiten zu einem berühmten, geschätzten und gefeierten Komponisten. Nicht zuletzt deshalb wurde und wird er bis heute auch als „norddeutscher Schubert“ bezeichnet. Weniger bekannt ist allerdings, dass Loewe in nahezu allen musikalischen Genres großartige Kompositionen geschaffen hat, Opern, Oratorien, Kammermusik, Solokonzerte und auch zwei Symphonien.

Loewes Symphonien

Die beiden Symphonien dürften 1834/35 entstanden sein, wobei wir nur in der erhaltenen Originalpartitur seiner e-Moll-Symphonie den genauen Hinweis zur Entstehungszeit finden. Loewe vermerkt am Ende der Partitur: „beendet am 15. December 1834 C. Loewe“. Wann genau er seine Symphonie, jene in d-Moll komponierte, ist nach wie vor unklar – vermutlich 1835. Ob die e-Moll-Symphonie zu Lebzeiten des Komponisten auch aufgeführt wurde, ist nicht bekannt.  Manche Forscher vermuten eine Aufführung zu Beginn 1835 (möglicherweise im Rahmen der jährlich stattfindenden Musikfeste in Stettin, wo Loewe als Musikdirektor jahrzehntelang tätig war), aber beweisen lässt sich das bislang nicht. In der Partitur findet man zwar nachträglich eingefügte Ergänzungen (die möglicherweise auf eine Aufführung hinweisen), aber keine Korrekturen (die Partitur enthält viele Kompositionsfehler, die Loewe bei einer tatsächlichen Aufführung aufgefallen sein müssten).

Neun Jahre nach der Entstehung der e-Moll-Symphonie (1843) schickte Loewe jedenfalls an den Berliner Verlag Bote&Bote eine Abschrift der Originalpartitur mit der Bitte, die Symphonie aufführen zu lassen. Vermutlich ergänzte er zu diesem Zweck die drei ursprünglich noch fehlenden Posaunenstimmen. Im Falle einer Aufführung hätte Loewe auch das Stimmenmaterial angeboten, dazu scheint es jedoch nicht gekommen zu sein. Auch gedruckt wurde das Werk nicht. Die Abschrift gilt mittlerweile als verschollen, ebenso das 1843 noch vorhanden gewesene. Lediglich die Originalpartitur, die sich im Nachlass des Komponisten befunden hatte, blieb erhalten. Sie befindet sich heute in der Jagiellonen-Bibliothek in Krakau.

Erst 1894, im Rahmen einer Feier zu Loewes 25. Todesjahr, wurde der 2. Satz („Larghetto“) vom Berliner Philharmonischen Orchester gespielt. Auf welches Notenmaterial dabei zurückgegriffen wurde, ist unbekannt.

Uraufführung bei den 2. Loewe- Festtagen

In den Jahrzehnten danach scheint niemand Interesse an dieser Symphonie gehabt zu haben. Erst 110 Jahre später, im November 2004 (im Rahmen der 2. Loewe-Festtage) wurde die e-Moll-Symphonie wohl tatsächlich zum ersten Mal aufgeführt. Diese (wahrscheinlich) Weltpremiere ist dem damaligen Chefdirigenten der Anhaltischen Philharmonie Dessau zu verdanken. Der komplette Mitschnitt der Aufführung ist im Internet erhalten. Es ist die bislang einzige Aufzeichnung der Symphonie, die noch nicht auf CD erschienen ist.

Für diese Aufführung wurde aus der vorhandenen Originalpartitur eine komplette Abschrift (Partitur und Stimmen) gemacht, diese wurde jedoch im Anschluss wieder nicht gedruckt. Als wir vom Concentus21 auf der Suche nach einer Komposition Loewes für dessen 150. Todesjahr waren, konnten wir zwar auf eine mittlerweile gedruckte Partitur zurückgreifen, beim Vergleich der gedruckten Fassung und der Originalpartitur fanden sich allerdings dermaßen viele Fehler, dass sie sich für eine Aufführung als wertlos herausstellte.

Der Weg zum Notenmaterial

Wir mussten somit einen anderen Weg gehen, um doch noch eine Aufführung 2019 zustande zu bringen. Zuerst musste eine korrekte Partiturabschrift erstellt, und danach das komplette Stimmenmaterial neu geschrieben werden. Dabei wurde streng auf Authentizität geachtet, und nur dort Korrekturen durchgeführt, wo Loewe offensichtliche Fehler (z.B. fehlende Vorzeichen, offensichtliche Harmoniefehler) passiert sind.

Österreichische Erstaufführung

Zwar lässt es sich ebenfalls nicht beweisen, aber vermutlich wird Loewes e-Moll-Symphonie beim Konzert am 9. November 2019 zum ersten Mal in Österreich erklingen – also eine österreichische Erstaufführung!

Die e-Moll Symphonie

Die Symphonie ist „klassisch“ viersätzig, auch die Instrumentation orientiert sich vor allem an den Symphonien der Klassik: doppelt besetzte Holzbläser, je 2 Hörner, Trompeten und Pauken. Die 3 Posaunen wurden nachträglich, vermutlich 1843 zugefügt und dienen ausschließlich der Klangverstärkung.

1. Satz Larghetto – Allegro con passione

Der erste Satz (4/4, e-Moll) beginnt mit einer langsamen Einleitung („Larghetto“), die nach nur 11 Takten in ein rasches „Allegro con passione“ (e-Moll) übergeht. Der Satz steht in Sonatensatzform, dem leidenschaftlichen Hauptthema in Moll setzt Loewe ein liebliches G-Dur-Seitenthema entgegen. Die Schlussgruppe (e-Moll) beendet abrupt dieses Intermezzo. Die relativ kurze Durchführung führt rasch zur Reprise, in der das Seitenthema jetzt in E-Dur moduliert. Aber diese „Idylle“ wird erneut heftig von e-Moll-Akkorden beendet und zum Schluss geleitet.

2. Satz Larghetto

Der zweite Satz „Larghetto“ (6/8, E-Dur) ist musikalisch wohl der Höhepunkt – nicht zufällig wurde er 1894 zur Loewe-Feier gespielt. Auf Posaunen, Trompeten und Pauke wird verzichtet, vor allem aber den Blasinstrumenten dadurch breiten Raum gegeben. Formal steht der Satz in 3-teiliger Liedform. Zwar beginnen so wie im ersten Satz die Streicher mit der Hauptmelodie, werden aber nach wenigen Takten von den hohen Holzbläsern abgelöst, die wiederum zur Cantilene der ersten Geigen überleiten. Der Balladen-Komponist Loewe zeigt sich hier ganz in seinem romantischen Element.

3. Satz Scherzo

Der dritte Satz „Scherzo“ (3/4, a-Moll) entspricht formal dem klassischen Vorbild (Scherzo – Trio – Scherzo), wobei das Trio nicht als solches mehr bezeichnet ist. „Das Trio“ bilden „unklassisch“ die 1. Trompete, 1. Oboe und 1. Klarinette.

4. Satz Allegro non tanto

Der vierte Satz (4/4, e-Moll) ist mit „Allegro non tanto“ bezeichnet. Der Satz steht in „klassischer“ Sonatensatzform. Das Hauptthema erklingt zuerst in den ersten Geigen und endet auf einer Fermata, ehe das ganze Orchester mit einem kräftigen Fortissimo das Hauptthema anstimmt. Ganz „unklassisch“ erklingt das Seitenthema in E-Dur, erst die Schlussgruppe kehrt wieder zu e-Moll zurück. Das Hauptthema ist durch Triller, Vorschläge und Verzierungszeichen charakterisiert, das Seitenthema wiederum bekommt durch Staccati in den Bässen einen ganz speziellen Charakter. In der Durchführung wechselt Loewe nach E-Dur, allerdings in Form eines Fugato und auch das Hauptthema erklingt durchwegs jetzt in Dur. Selbst für die Reprise kehrt Loewe nicht mehr zur Ausgangstonart (e-Moll) zurück. Der Satz steigert sich zu einem fulminanten Höhepunkt und endet in strahlendem E-Dur.

Weiterführende Links

Internationale Loewe Gesellschaft – https://www.carl-loewe-gesellschaft.de/
Carl Loewe auf Wikipedia – https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Loewe
Kompositionen von Carl Loewe auf IMSLP – https://imslp.org/wiki/Category:Loewe,_Carl

Konzertkarten und Notenmaterial

Konzertkarten für das Konzert am 09.11.2019 um 19:30 im Lorely Saal gibt es online über EventJet.
Ein Konzertmitschnitt sowie das Notenmaterial werden nach dem Konzert, voraussichtlich Ende November erhältlich sein. Concentus21 Shop


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